Bankraub 2.0 - Immer mehr Geldautomaten werden gesprengt
Philipp Frohn
Der klassische Banküberfall hat ausgedient, stattdessen fliegen in NRW mehrmals pro Woche Automaten in die Luft. Die Banken rüsten auf, die Täter ebenfalls.
Eigentlich ist Kempen nicht als Hotspot für Kriminalität bekannt. Aber Mitte September wurde die idyllische Kleinstadt am Niederrhein von einem spektakulären Überfall erschüttert: Kriminelle sprengten im Schutz der Dunkelheit einen Geldautomaten der Volksbank, ein lauter Knall riss die Anwohner ausdem Schlaf. Und die Diebe entkamen mit einer unbekannten Menge an Bargeld. Was klingt wie eine Szene aus einem Kriminalroman, gehört für Banken und Strafverfolgungsbehörden inzwischen fast schon zum Alltag. Seit Jahren nehmen die Sprengungen von Bargeldautomaten zu. Nach einem leichten Abflachen des Trends im vergangenen Jahr haben es die Kriminellen nun wieder vermehrt auf die Automaten überall in der Republik abgesehen. Vor allem Nordrhein-Westfalen haben die Bankräuber als Ziel für ihre Beutezüge auserkoren. Das Phänomen erreicht eine neue Dimension: Noch nie zuvor gab es in dem bevölkerungsreichsten Bundesland so viele Sprengungen wie 2020. Die Zeiten, in denen Kriminelle bewaffnet und mit Strumpfmaske über dem Kopf Banken stürmten, sind vorbei. Seit 2003 ist die Zahl dieser Fälle um fast 89 Prozent von 767 auf 89 gesunken.
Dafür erwächst der Bankraub 2.0 zu einem immer größeren Problem für die Geldinstitute. In NRW fliegen mehrmals in der Woche Geldautomaten in die Luft. Allein bis zum 23. September zählt das Landeskriminalamt (LKA) NRW 154 Sprengungen. In immerhin 37 Prozent der Überfälle gelang es den Dieben, an das Geld zu kommen und mit der Beute zu flüchten. Damit wurden allein in den ersten neun Jahresmonaten deutlich mehr Geldautomaten gesprengt als im kompletten Vorjahr (104). In der gesamten Bundesrepublik zählte das Bundeskriminalamt (BKA) 2019 insgesamt 349 Automatensprengungen.
Aktuelle deutschlandweite Zahlen für das laufende Jahr möchte die Bundesbehörde noch nicht veröffentlichen. Doch mit der Angelegenheit vertraute Personen prognostizieren, dass sich die Zahl der Fälle in diesem Jahr auf über 400 summieren wird. Das wäre ein neuer Rekord – und dürfte nicht nur auf den Brennpunkt NRW zurückzuführen sein, sondern auch auf die Coronakrise.