Deutsche Anwälte sind weltweit gefragt, Großkanzleien machen globale Geschäfte. Doch ausgebildet werden Juristen immer noch wie vor 150 Jahren – was die deutsche Wirtschaft Talente und Kreativität kostet.
Wenn seine Kommilitonen in der Berliner Universitätsbibliothek Paragrafen büffeln, schaut Felix Kröner aus dem Seminarraum auf die Themse. London statt Berlin, Master statt Examen. Dafür hat sich der 22-Jährige bewusst entschieden. Kröner studiert deutsches und englisches Recht am King’s College in London. Zuvor war er an der Humboldt-Universität in Berlin. „Von unseren britischen Professoren werden wir ermutigt, das geltende Recht zu hinterfragen. Das finde ich klasse.“ Kröner will Paper lesen, statt Fälle zu lösen. Normen hinterfragen, statt sie anzuwenden. Der Student ist damit einer von immer mehr Jurastudenten, die mit ihrer eigenen Ausbildung hadern. Denn deutsche Juristen konnten in den vergangenen Jahren eine erstaunliche Parallelentwicklung miterleben: Innerhalb einer Generation veränderte sich die Branche ganz grundlegend – die Ausbildung aber blieb vollkommen gleich. Bis in die Neunzigerjahre war der deutsche Durchschnittsanwalt zumeist allein tätig oder in einer kleinen Sozietät, seine Kunden waren oft zugleich persönliche Bekannte. Wichtigstes Tätigkeitsfeld war der Gerichtssaal. Heute hingegen arbeiten Spitzenjuristen bei global agierenden Großkanzleien, ihre Fälle bearbeiten sie in internationalen Teams, statt vor Gericht trifft man sich am Verhandlungstisch. Die Alltagssprache ist Englisch, auch das Gehaltsniveau angelsächsisch. Und digitale Helfer beginnen, juristische Basisarbeit überflüssig zu machen.